Goethe, Siegfried Lenz und die spanische Königin
Als ich kürzlich in der Ausstellung „Barbara Klemm – Frankfurter Bilder“ im Historischen Museum war, sah ich ein Foto von der Verleihung des Goethe-Preises im Jahr 1999. Das setzte bei mir die Erinnerungsmaschine in Gang, denn bei dieser Veranstaltung war ich vor 25 Jahren auch als Fotografin. Ich hatte mein zweites Ausbildungsjahr gerade beendet und ein halbes Jahr folgte noch bis zur Gesellinnenprüfung. Die Fotografin bei der ich die Ausbildung absolvierte, hatte an diesem Tag zwei Aufträge zur selben Zeit – übernahm selbst die Hochzeit und überließ mir dieses Großevent in der Frankfurter Paulskirche. Wobei ich das im Voraus nicht als Geschenk empfinden konnte. Viel zu groß war meine Unsicherheit und die Frage was da auf mich zukommen würde. Ich sollte im Auftrag des Instituts für Stadtgeschichte die Verleihung fotografisch dokumentieren. Dafür bekam ich schwarz-weiß Filme, die ich hinterher ungesehen abgeben musste. Zum Glück hatte ich einen zweiten Kamera-Body dabei, in dem sich allerdings noch ein Diafilm befand. Anstatt ihn durch einen Farbnegativfilm zu ersetzen, fotografierte ich für mich selbst also Dias. Dass das nur nebenher passierte, sieht man deutlich am Ergebnis. Aber immerhin, denn sonst hätte ich keinerlei sichtbare Erinnerung. Für mich und meine fehlende Selbstsicherheit mit 21, war dieser Tag eine echte Herausforderung. Ich erinnere mich ans Ankommen vor der Paulskirche, bei dem Holger Weinert vom Hessischen Rundfunk als Goethe verkleidet, die Ehrengäste empfing. Das waren neben dem Preisträger Siegfried Lenz, sein Laudator Marcel Reich-Ranicki, die damals hochrangigen Politiker und Politikerinnen Bundespräsident Johannes Rau, Bundeskanzler Gerhard Schröder, Ministerpräsident Roland Koch, Bundesministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul, natürlich Frankfurts Oberbürgermeisterin Petra Roth und außerdem – für mich besonders spektakulär – Königin Sophia von Spanien. Schon bei der Situation am Roten Teppich, als ich zwischen souverän nach vorne drängenden Kollegen stand, wurde mir klar, dass ich kein Ellenbogen-Typ war. Das bin ich auch jetzt nur im äußersten Notfall. Ich erinnere mich tatsächlich nur an männliche Fotografen, aber jetzt weiß ich ja, dass Barbara Klemm auch dabei gewesen sein muss. Als die Gäste in der Paulskirche Platz genommen hatten, durften wir Vertreter*innen der Presse (oder Archive) für einen Moment vor die erste Reihe treten und sie aus der Nähe fotografieren. Alle stürzten los und ich war total überfordert. Doch dann hatte ich einen mutigen Moment, denn als alle anderen zurücktraten, ging ich als allerletzte vor und machte ganz schnell meine Fotos. Im Anschluss konnte ich noch Fotos während der Reden machen. Im Rückblick war das ein in vieler Hinsicht prägendes Erlebnis, für das ich dankbar bin. Vielleicht sollte ich mal ins Institut für Stadtgeschichte gehen und mir meine Fotos von diesem Tag ansehen.